Neue Autorität

Eltern und Erziehende sind nicht selten mit ungewöhnlichen, destruktiven und gewalttätigen Verhaltensweisen von Kindern/Jugendlichen konfrontiert und fühlen sich dadurch oft hilf- und ratlos. Infolgedessen ziehen sie sich zurück, lassen gewähren oder geraten in eskalierende Machtkämpfe, die meist zu weiterer Verzweiflung führen.
Ähnliches beschreiben LehrerInnen, PädagogInnen aus Kindergärten, Kindertagesstätten oder Einrichtungen der Jugendhilfe.

Für Haim Omer ist die oberste Pflicht des Erziehenden, dem Kind/dem Jugendlichen bei destruktivem Verhalten Einhalt zu gebieten. Gerade weil für ihn der Respekt vor der Würde des jungen Menschen von entscheidender Bedeutung ist, erachtet Haim Omer den erwachsenen, gewaltlosen Widerstand gegen unziemliche Verhaltensweisen als eine der Hauptaufgaben von Erziehungsverantwortlichen.

Die aus dem Konzept hergeleiteten Interventionsmöglichkeiten zielen darauf ab, verlorengegangene Präsenz wieder herzustellen und Beziehungen (wieder) aufzubauen.
Damit basiert die Neue Autorität auf etwas grundsätzlich anderem als Kontrolle, Durchsetzung und Macht, nämlich auf Beziehung und Verbundenheit.

Neue Autorität ist ein systemischer Ansatz, der Personen mit Führungsverantwortung (Eltern, LehrerInnen, SozialpädagogInnen, Führungskräfte, Gemeindepolitiker, usw.) stärkt und ihnen wertvolle Möglichkeiten erschließt, für eine respektvolle Beziehungskultur zu sorgen und positive Entwicklungsprozesse in Gang zu bringen.

Früher war Autorität gleichbedeutend mit Kontrolle, Dominanz und dem Ziel der Autoritätsperson, das Kind zum Gehorsam zu erziehen oder aus einem Mitarbeiter ein kritikloses funktionierendes „Werkzeug“ zu machen. Die Beziehung basierte in den allermeisten Fällen auf Distanz und war begleitet von Furcht und Angst vor Strafen oder Ausgrenzung.

In der Kindererziehung erleben Eltern, LehrerInnen und SozialpädagogInnen oft große Unsicherheit in der Ausübung ihrer Rolle und haben manchmal das Gefühl, keine brauchbaren Mittel bzw. Handlungsmöglichkeiten im Umgang mit destruktivem Verhalten von Kindern und Jugendlichen zu haben. Auch Führungskräfte in Einrichtungen und Unternehmen erkennen die Notwendigkeit, Autorität aus ihrer persönlichen Integrität zu entwickeln, Konflikte gemeinschaftlich zu lösen und die vorhandenen Netzwerke konstruktiv in ihre Arbeit einzubinden.

Genau hier setzt das Modell der Neue Autorität von Prof. Haim Omer (Universtiät Tel Aviv) und seinem Team an. Durch persönliche Präsenz (Selbstverankerung) und die wachsame Sorge (Ankerfunktion und Nähe) der Erwachsenen wird ein Rahmen bereitgestellt, in dem erfolgreiche Entwicklungsprozesse und ein respektvolles, konstruktives Miteinander möglich werden, zur Erreichung der gewünschten Ziele.

Als wichtigste Ressource wird die Fähigkeit zur konstruktiven Beziehungsgestaltung (Selbstkontrolle) durch eine wertschätzende Grundhaltung gegenüber jeder einzelnen Person in den Vordergrund gestellt. Die Verantwortlichen widerstehen der Gefahr, sich in Machtkämpfe hineinziehen zu lassen und handeln so eskalationsvorbeugend. Problematischem Verhalten wird nicht mit Vergeltungsmaßnahmen und Strafen sondern durch Protest und beharrlichen gewaltlosen Widerstand begegnet, um so Veränderungsprozesse und Lösungsschritte in Gang zu setzen.

Das verfügbare Netzwerk (anstatt Einzelkämpfer) wird einbezogen und als Unterstützungsgruppe genutzt. So entstehen Bündnisse für das Erreichen von gemeinsamen Zielen, was wiederum zur Verbesserung des Miteinanders führt, ob zu Hause in der Familie, in der Schule oder in anderen Kontexten wie Unternehmen, wo Erwachsene mit Führungsaufgaben und Verantwortung betraut sind.

Das Konzept der Neuen Autorität und persönlichen Präsenz nutzt die sozialpolitischen Ideen und die Praxis des gewaltlosen Widerstandes (Deeskalationsvorbeugung und Deseskalation) Mahatma Gandhis. Sich nicht in Machtkämpfe hineinziehen zu lassen, das Prinzip der Zeitverzögerung zu nutzen und beharrlich zu intervenieren, immer mit Bedacht auf eine gute Beziehung, einen respektvollen Umgang, sind dabei die wesentlichen Aspekte.

Zusammenfassend
kann festgehalten werden, dass die „Neue Autorität“ zuallererst bei der Entwicklung und Wiederherstellung der persönlichen und professionellen Präsenz der handelnden Personen (Eltern, LehrerInnen, SozialpädagogInnen, Führungskräfte,…) ansetzt. Sie zu befähigen, in ihrem Lebens- & Arbeitsalltag respektvoll, achtsam, mit Begeisterung und gewaltfrei präsent zu sein und ihre Aufgaben verantwortungsvoll, in wachsamer Sorge, wenn notwendig mit Interventionen des gewaltlosen Widerstandes wahrzunehmen, sind die Hauptzielsetzungen dieses Ansatzes.

Quelle: INA, FIBA